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Impuls zum 28. April 2024

Zum 5. Sonntag in der Osterzeit

Von Ferdinand Kerstiens (Marl), pax christi Münster

Barnabas

1. Lesung aus der Apostelgeschichte 9,26-31:
In jenen Tagen, als Saulus nach Jerusalem kam, versuchte er, sich den Jüngern anzuschließen. Aber alle fürchteten sich vor ihm und konnten nicht glauben, dass er ein Jünger war. Barnabas jedoch nahm sich seiner an und brachte ihn zu den Aposteln. Er erzählte ihnen, wie Saulus auf dem Weg den Herrn gesehen habe und dass dieser mit ihm gesprochen habe und wie er in Damaskus mutig und offen im Namen Jesu aufgetreten sei. So ging er bei ihnen in Jerusalem ein und aus, trat unerschrocken im Namen des Herrn auf und führte auch Streitgespräche mit den Hellenisten. Diese aber planten, ihn zu töten. Als die Brüder das merkten, brachten sie ihn nach Cäsarea hinab und schickten ihn von dort nach Tarsus. Die Kirche in ganz Judäa, Galiläa und Samarien hatte nun Frieden; sie wurde gefestigt und lebte in der Furcht vor dem Herrn. Und sie wuchs durch die Hilfe des Heiligen Geistes.

Barnabas war ein ganz wichtiger Mann in der Urkirche. Seiner Bedeutung nach ist er viel zu wenig bekannt. Auch in der Leseordnung kommt er kaum vor. Es lohnt sich aber, seinen Spuren nachzugehen.

Schon in den Bericht über die Gütergemeinschaft in der Jerusalemer Gemeinde wird er erwähnt: „Auch Josef, ein Levit aus Zypern, der von den Aposteln Barnabas, das heißt Sohn des Trostes genannt wurde, verkaufte einen Acker, der ihm gehörte, brachte das Geld und legte es den Aposteln zu Füßen.“ (Apg 4,36) Barnabas stand also mit seinem Eigentum für das Wohl der Armen ein. Wenn er von den Aposteln „Sohn des Trostes“ genannt wurde, dann lässt das auf seine Tätigkeit schließen. Vielleicht kümmerte er sich in besonderer Weise um die Armen und die Trauernden, um alle, die in Not waren. Eine solche Namengebung hat in der Bibel eine große Bedeutung. Sie lässt auf den Charakter und die Bedeutung eines Menschen schließen.

Das weitere Auftreten des Barnabas ist eng mit dem Weg des Paulus verknüpft. Paulus, der ja zunächst die Christen verfolgt hatte, kommt nach seiner Bekehrung nach Damaskus. Dort gerät er in Gefahr, da die Juden ihm nach dem Leben trachten. Nach einer abenteuerlichen Flucht kommt er nach Jerusalem. Da setzt unsere heutige Lesung ein. Alle fürchten sich vor Paulus, weil sie ihm die Bekehrung nicht glauben und dahinter nur eine List vermuten, um die Verfolgung der Christen noch besser fortsetzen zu können. Nur einer setzt sich über die Verdächtigungen hinweg und nimmt sich seiner an: Barnabas. Er glaubt ihm seine Bekehrung und hat offenbar ein Gespür für das, was noch von diesem Mann zu erwarten ist. So geht er mit Paulus zu den Aposteln, erzählt von seiner Bekehrung und seinem erfolgreichen Wirken in Damaskus. So versucht er, das Misstrauen zwischen Paulus, den Aposteln und der Gemeinde abzubauen. Damit ebnet er Paulus den Weg zu einem fruchtbaren Wirken in Jerusalem. Doch wieder gerät Paulus in Schwierigkeiten und muss verschwinden. Er wird zurück in seine Heimat Tarsus geschickt. Die Gemeinde in Jerusalem will seinetwegen keine Unruhe.

Die Gemeinde in Antiochia, neben Jerusalem und Damaskus eine der drei wichtigsten Gemeinden der Urkirche, entwickelt sich sehr lebendig. Hellenistische Wanderprediger, die nach der Ermordung des Stephanus aus Jerusalem geflohen waren und überall umherzogen, um das Evangelium zu verkünden, wirken auch in Antiochia. Sie predigen auch den Griechen und bekehren viele von ihnen. Die Berichte davon kommen nach Jerusalem und stimmen viele skeptisch. Denn wenn jetzt viele Griechen, die den Juden, also auch der jüdischen Gemeinde in Jerusalem, als „Heiden“ galten, Christen wurden, in welche Zukunft führte das? Da schickte die Jerusalemer Gemeinde Barnabas nach Antiochia, um nachzuschauen, was da geschieht. 

Barnabas ist ein offener Mann. Er lässt sich nicht von Vorurteilen leiten, sondern sieht, was vor sich geht. Er freut sich über den Glauben der Griechen, die zu Christen wurden, und erkennt darin die Gnade Gottes, der keine Grenzen kennt und alle Menschen zum Glauben berufen will. „Denn er (Barnabas) war ein trefflicher Mann, erfüllt vom Heiligen Geist und vom Glauben.“ (Apg 11,24) Da erinnert Barnabas sich an Paulus, der immer noch isoliert in Tarsus sitzt. Barnabas denkt: Den können wir jetzt hier gebrauchen. Er geht nach Tarsus und holt den Paulus nach Antiochia, wo sie ein Jahr lang gemeinsam die Menschen, Juden und „Heiden“, im Glauben unterrichten. Dann ziehen Paulus und Barnabas wieder nach Jerusalem und bringen Gaben aus Antiochia für die notleidende Gemeinde in Jerusalem mit. Darauf kehren sie wieder nach Antiochia zurück und nehmen Johannes Markus mit.

Während eines Gottesdienstes „sprach der Heilige Geist: Wählt mir den Barnabas und den Paulus zu dem Werk aus, zu dem ich sie berufen habe. Da fasteten und beteten sie, legten ihnen die Hände auf und ließen sie ziehen.“ (Apg 13,2f) Ein erstaunlicher Vorgang! Die Gemeinde feiert Gottesdienst und hört den Ruf des Geistes, der zu neuen Wegen einlädt. Die Gemeinde legt den beiden die Hände auf und macht sie so zu Aposteln, zu Gesandten des Glaubens. Hier hat die Auflegung der Hände und die Sendung noch nichts von der späteren Verengung auf die Priesterweihe an sich. Die Gemeinde selbst ist das Subjekt der Sendung und der Beauftragung im Heiligen Geist. Die beiden nehmen wieder den Johannes Markus mit auf ihre Reise, die sie über mehrere Monate nach Zypern und durch Kleinasien führt. Oft werden sie verfolgt und müssen fliehen. Aber sie können auch kleine Gemeinden gründen und ihnen Zuversicht und Kraft im Glauben schenken. Sie wählen schon nach wenigen Tagen oder Wochen Älteste aus, legen ihnen die Hände auf, empfehlen sie Gott im Gebet und vertrauen ihnen die Sorge für die Gemeinden an. Sie geben damit den Segen weiter, den sie selbst von der Gemeinde in Antiochia empfangen hatten. Dann kehren sie nach Antiochia zurück und berichten voll Freude darüber, dass Gott „den Heiden die Tür zum Glauben geöffnet hat“ (Apg 14,27).

Der Erfolg der einen weckt das Misstrauen der anderen. Einige Judenchristen kommen von Jerusalem und bringen die Gemeinde durcheinander. Sie sagen: Nur Beschnittene nach dem Gesetz des Moses dürfen Christen werden. Die Griechen müssen das ganze Gesetz halten. So stellen sie die Praxis der Gemeinde in Antiochia in Frage. Es gibt „große Aufregung und heftige Auseinandersetzungen zwischen ihnen und Paulus und Barnabas“ (Apg 15,2). Aber die Gemeinde und ihre beiden Kronzeugen halten an ihrem Weg fest. Die Gemeinde schickt sie nach Jerusalem zu den Aposteln und Ältesten dort, um die Frage zu klären.  Wieder gibt es heftige Auseinandersetzungen mit einigen gläubig gewordenen Pharisäern, die die Beschneidung für alle Christen fordern. Aber auch Barnabas und Paulus halten an ihrer Überzeugung fest und erzählen auf einer großen Gemeindeversammlung unerschrocken von ihren Erfahrungen. Sie sagen: Gott hat den Heiden durch den Heiligen Geist den gleichen Glauben geschenkt, in dem auch wir leben. Vor Gott gibt es keine Unterschiede. Deswegen darf man ihnen nicht noch das Joch des Gesetzes auflegen! Sie sind wie wir durch Gott gerettet. Ihren Erfahrungen und ihrer Überzeugung können die Apostel, die Ältesten und die ganze Gemeinde nicht widerstehen. Sie stimmen Paulus und Barnabas zu und schicken sie mit einigen anderen Brüdern wieder zurück nach Antiochia, um diese Botschaft zu überbringen. Der große Durchbruch ist geschafft! Der christliche Glaube sprengt endgültig die jüdischen Grenzen und öffnet sich zur Weltreligion. Barnabas und Paulus haben dazu den entscheidenden Teil beigetragen. 

In Antiochia werden die beiden zu einer neuen Missionsreise ausgesandt. Barnabas will den Johannes Markus wieder mitnehmen. Paulus will nicht. Da kommt es zwischen diesen beiden langjährigen Weggefährten selber zu heftigen Auseinandersetzungen. Sie setzen getrennt ihre Wege fort und Barnabas zieht mit Johannes Markus nach Zypern. Danach sind keine sicheren Informationen mehr über Barnabas und sein Wirken erhalten.

Barnabas war ein großartiger Mann, ein Zeuge des Glaubens, der Wege durch unübersichtliches Gelände bahnte. Unerschrocken stand er zu seiner Überzeugung und ließ sich von niemanden seine Erfahrungen ausreden. Seine Offenheit gegenüber dem Geist Gottes, der die Gemeinde neue Wege führt und Grenzen überspringt, hat ihn auch dort seinen Weg gehen lassen, wo andere Aufweichung und Verlust des wahren Glaubens befürchteten. Er hatte alleine den Mut, den verdächtigen Paulus aufzunehmen, ihm Brücken zu bauen und Wege zu ebnen. Später holte er ihn, den in die Verbannung Geschickten, auf eigene Faust zurück und arbeitete mit ihm zusammen. Paulus und sein Wirken sind ohne Barnabas nicht zu denken. Er scheute nicht die nötigen Konflikte und trug sie im großen Vertrauen auf den Geist Gottes durch. Die jüdischen Fundamentalisten in der christlichen Gemeinde konnten ihn mit ihren Verdächtigungen nicht erreichen oder erschüttern.

Barnabas heute
Solche Leute wie Barnabas brauchen wir heute! Menschen mit wachen Augen und Ohren, die das Wirken Gottes in unserer Welt erkennen, auch dort, wo es die Gemeinde am Ort oder die Kirche als ganze noch nicht wahrhaben will, wo Verdächtigungen und Misstrauen herrschen, wo das „nihil obstat“ verweigert wird. Wir brauchen Menschen, die trösten und Geld und Zeit teilen, Aufmerksamkeit für Fremde und Gespür für Gerechtigkeit allen Menschen gegenüber aufbringen. Wir brauchen glaubwürdige Zeuginnen und Zeugen, die sich in der Kirche von heute nicht den Angriffen der Fundamentalisten beugen, die Homosexuelle, Transmenschen und Diverse nicht ausgrenzen, die verdächtigte und verurteilte Theologen nicht alleine lassen. Wir brauchen Frauen in allen Ämtern der Kirche, glaubwürdige Osterzeuginnen wie Maria von Magdala und viele andere. 

Wir brauchen natürlich auch heute in Rom und an vielen Bischofssitzen die Offenheit der Jerusalemer Gemeinde, der Apostel und Ältesten, die sich von der Erfahrung anderer überzeugen und öffnen lassen für die neuen Wege Gottes mit seiner Kirche. Nicht Petrus hat damals entschieden, sondern die Gemeinde mit ihren Aposteln und Ältesten. Heute gibt es ähnliche Konflikte zwischen Rom und dem Synodalen Weg in Deutschland, zwischen Rom und der Amazonassynode, zwischen Rom und Landeskirchen weltweit. Die Weltsynode darf über wichtige Themen gar nicht entscheiden, sondern nur reden. Entscheiden will und wird alleine der Papst. Wir brauchen Menschen wie Barnabas, die Zukunft ermöglichen. Es geht um grundlegende Einigkeit, nicht um Uniformität.

Vielleicht können wir selber Schritte in diese Richtung tun, uns zu Wort melden mit unseren Erfahrungen, unseren Widerspruch anmelden, wo es nötig ist. Vielleicht können wir selber mithelfen, dass Gottes neue Wege heute geebnet werden und sein Geist Menschen erfasst und erfüllt, denen wir es vielleicht gar nicht zugetraut hätten. Nur so kann die Kirche, die Gemeinschaft der Glaubenden, Zukunft gewinnen. Eine solche Kirche wäre auch glaubwürdig, wenn sie sich für den Frieden unter den Völkern, für Gerechtigkeit für die Ausgegrenzten, für den Ausgleich der wirtschaftlichen Interessen einsetzt.   

Gebet
Guter Gott,
wo finden wir Barnabas heute?
In Basisgemeinden Lateinamerikas,
oder in den kleinen kirchlichen Gemeinschaften Afrikas?
Unter den Witwen Guatemalas und anderswo,
die neue Wege der Versöhnung suchen?
In der Friedensbewegung, 
der Gewaltlosigkeit verpflichtet auch in Konflikten und Kriegen?
Bei Amnesty, der UNO oder dem Roten Kreuz?
In Gemeinden, die neue ökumenische Wege gehen
und so mithelfen, die Spaltung in der Christenheit zu überwinden?
Unter den Theologinnen und Theologen,
die heute verdächtigt und ausgegrenzt werden?
Nehmen nicht heute vielfach Frauen die Rolle von Barnabas wahr?
Doch wer hört wirklich ihren Glaubenserfahrungen zu?
Wir brauchen Barnabas heute,
solche Glaubenszeuginnen und Zeugen,
damit deine Kirche Offenheit und Zukunft gewinnt,
die glaubwürdig für Gerechtigkeit und Frieden eintritt,
für gegenseitige Anerkennung der Würde aller Menschen. 
Wir brauchen Menschen wie Barnabas heute
in Kirche, Gesellschaft und Politik.

Schenke uns allen den Geist und die Kraft,
wenigstens ein wenig Barnabas für heute zu werden!